Egal wo man sich auf der Welt befindet, welche Nachrichtensendungen man verfolgt oder welche Zeitung man liest: Den Vorhersagen und Prophezeiungen von Ökonomen kann man sich eigentlich kaum entziehen. Deren Einflussbereich ist auch riesig: Staaten errichten ihre Budgets anhand der BIP-Schätzungen von verschiedenen Ökonomen (seien es jene vom IWF, von der Weltbank oder von der WKÖ), Billionen von Ersparnissen werden weltweit auf Grund der Wirtschaftsprognosen von Ökonomen in- und desinvestiert sowie unzählige Gesetze werden auf Grund der Prognosen von Ökonomen erstellt. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass Ökonomen in unserer Gesellschaft ein äußerst hohes Ansehen genießen. Wirft man allerdings einen genaueren Blick auf deren Prognosefähigkeiten, so stellt man fest, dass es mit den „überirdischen Fähigkeiten“ dieser doch nicht weit her ist.
Die Aktienmärkte verloren seit Jahresbeginn teilweise knapp 18 % an Wert und signalisierten damit deutliche Rezessionsgefahr. Nichtsdestotrotz prognostiziert aktuell z.B. kein einziger der 40 von der Notenbank von Philadelphia befragten Ökonomen eine US-Rezession für 2016 – ein deutliches Zeichen für die Verhaltenstendenz von Ökonomen, einfach die Ergebnisse der Vergangenheit „fortzuschreiben“: Wächst die Wirtschaft im Jahr XY, so wächst sie laut Prognose auch im Jahr XY+1 et vice veritas. Eine neue Studie des „Economist“ bestätigt diese Theorie: Zwischen 1999 und 2014 gab es weltweit 220 Fälle, in welchem die Wirtschaft in einem Land in einem Jahr wuchs und im darauffolgenden Jahr kontrahierte. Bei der Analyse der Vorhersagen der IWF-Ökonomen stellte das Magazin nun fest, dass in ihren traditionellen April-Vorhersagen die Ökonomen nicht in einem einzigen der 220 Fälle den Wirtschaftsrückgang kommen sahen – eine nicht zu unterbieten schlechte Bilanz. Immerhin beschäftigt das IWF nicht irgendwelche Ökonomen, sondern eine Schar von Top-Leuten, welche allesamt von den weltweit besten Universitäten stammen.
Vergleicht man die Performance der Ökonomen mit jener des Marktes, so sollten bei einigen Anlegern erste Alarmzeichen schrillen: Obwohl der Nobelpreisträger Paul Samuelson einmal meinte, dass „der Markt neun der letzten fünf Rezessionen erkannte“ und damit die Vorhersagekraft der Märkte bezweifelte, liest sich diese „Erfolgsquote“ immer noch besser als jene der Ökonomen, welche laut Ned Davis Research als Konsensmeinung „nicht eine der Rezessionen kommen sahen“.
In der Vergangenheit gab es 12 Episoden, in welchen der S&P 500 um mehr als 15 % von seinen Höchstständen gefallen ist. Sieben dieser 12 Rückschläge wurden innerhalb von einem Jahr von einer Rezession der US-Wirtschaft gefolgt (siehe nachfolgende Grafik). Unterm Strich „prophezeite“ also der Aktienmarkt sieben der letzten sieben Rezessionen, auch wenn es fünf Mal ein Fehlsignal gab – immer noch deutlich besser als die Vorhersagekraft der Ökonomen, welche keine der sieben Rezessionen erkannten. Die Erfolgsquote „Markt vs. Ökonomen“ liegt also bei 60 % vs. 0 %!
Der Vergleich zwischen Ökonomen und dem Markt zeigt also, dass der kollektive Wissensstand der Markteilnehmer ein besserer Prognoseratgeber als die Vorhersagen der Ökonomen ist. Diese sollten öfters einfach die Entwicklung an den Aktienmärkten beobachten, als auf ihre Modelle zu vertrauen. Interessant ist dies insbesondere im aktuellen Marktumfeld, da die Ökonomen für die Weltwirtschaft immer noch sehr optimistisch sind – die Märkte allerdings bereits eine relativ hohe Rezessionswahrscheinlichkeit über die kommenden 12 Monate erkennen. Man darf gespannt sein, wer diesmal schlussendlich recht behalten wird.
Vor jeder US-Rezession fiel der S&P 500 um mehr als 15 %!
Bildquellen: Morgan Stanley, Stand: 03.03.2016