Unbemerkt von vielen Anlegern – welche sich meist überwiegend auf die Entwicklung der Aktienmärkte konzentrieren – findet derzeit an den europäischen Staatsanleihenmärkten ein wahrer Abverkauf statt. Dieser trifft insbesondere sicherheitsorientierte Anleger, welche sich noch nicht an die neuen Bedingungen an den Finanzmärkten angepasst haben.
So erlebten deutsche Staatsanleihen in der letzten Woche ihren stärksten zweitägigen Verlust in der Geschichte: Die Rendite von 10-jährigen Staatsanleihen stieg von 0,07 % Mitte April auf aktuell über 0,53 % an – ein Verlust von mehr als 4,7 %, gerechnet auf den Kurs einer Anleihe. Dies ist eine Verlusthöhe, welche viele Anleger eigentlich nur im Aktienbereich zu akzeptieren bereit sind – nicht aber im Anleihenbereich. Gleichzeitig zeigen die aktuellen Marktbewegungen deutlich, mit welchen Risiken vor allem das als vermeintlich sichere Anlageklasse bezeichnete Segment der Staatsanleihen behaftet ist. Das Niedrigzinsumfeld hat die jährlichen Renditen so weit abschmelzen lassen, dass bereits geringste Kursbewegungen ausreichen, um die Zinserträge der nächsten Jahre auf einen Schlag zu vernichten. Anlegern wird derzeit deutlich vor Augen geführt, wo über die kommenden Jahre die Risiken lauern: Während bei vielen Aktien die Dividendenrenditen in der Höhe von vier bis fünf Prozent noch einen gewissen Schutz vor Kursschwankungen bieten, ist dieser Puffer bei Anleihen mit einer sehr guten bis guten Qualität nicht mehr gegeben.
Anleger sollten nun aber auch nicht Hals über Kopf ihre Anleihen auf den Markt werfen. Vielmehr gilt es, mit traditionellen Denkmustern zu brechen, wonach Anleihen per se eine sichere Anlageklasse sind und die Wahrscheinlichkeit von Verlusten dort sehr gering sind, und mögliche Auswirkungen auf das individuelle Anlageverhalten zu überprüfen. Kurzfristig sollten die monatlichen Anleihenkäufe durch die EZB, die Sparüberschüsse der privaten Haushalte sowie die Deflationstendenzen die Renditen wieder nach unten – und somit die Preise nach oben – ziehen. Langfristige Anleger können die aktuellen Marktentwicklungen aber als ein erstes Warnsignal dafür sehen, was die Folgen sein werden, wenn die Politik des billigen Geldes einmal endet.