Als die Schweizer Notenbank Mitte Jänner den Mindestkurs in der Höhe von 1,20 gegenüber dem Euro aufgab, wurden europaweit Horrorszenarien für die Schweizer Wirtschaft ausgemalt: Von der Massenabwanderung Schweizer Konzerne in den Euroraum, vom Verlust unzähliger Arbeitsplätze und einem mehrjährigen Konjunktureinbruch war oftmals die Rede. Knapp ein halbes Jahr später kann man eine erste Bilanz ziehen und festhalten, dass die Schweizer Nationalbank (SNB) bislang mit einem „blauen Auge“ davongekommen ist – die großen Herausforderungen aber erst noch bevorstehen.
Tausender bunkern
Zwar droht die Schweizer Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres offiziell in eine leichte Rezession abzurutschen, allerdings mit bislang verhaltenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: So liegt die offi zielle Arbeitslosenrate im Mai bei 3,2 Prozent und mit 0,2 Prozent nur leicht höher als im Vorjahr. Die konjunkturellen Frühindikatoren haben sich im Jahresverlauf ebenfalls deutlich verbessert, auch wenn auf sehr bescheidenem Niveau. Der Blick auf die Makrodaten beweist somit, dass die befürchteten Horrorszenarien bislang nicht eingetreten sind. Zusätzlich sind die erwarteten Defl ationsraten von über 2 Prozent für das laufende Jahr bislang ausgeblieben (aktuell: -1,15 Prozent), wobei jüngst Produzenten- und Importpreise sogar wieder leicht angezogen haben.
Allerdings muss die Schweizer Nationalbank auf der Hut sein: Vom inoffiziell anvisierten Wechselkurs von rund 1,10 Schweizer Franken ist man derzeit weit entfernt und zusätzliche Zinssenkungen sind eigentlich nicht mehr möglich, denn bereits jetzt ist die Anzahl von 1000er-Banknoten extrem gestiegen – ein klares Indiz dafür, dass Bargeld zu Hause „gebunkert“ wird, um von den Negativzinsen verschont zu bleiben. Somit bleiben im Falle einer erneuten Franken-Aufwertung einzig und alleine weitere Interventionen am Devisenmarkt als Schutzmechanismus für die Wirtschaft – doch dann hätte die SNB gleich den Mindestkurs beibehalten können – und die Glaubwürdigkeit der Nationalbank wäre endgültig dahin. Daher bleibt der hohe Franken für die SNB ein „Ritt auf der Rasierklinge“, insbesondere, solange die großen Wirtschaftsnationen wie die USA, EU und Japan die eigene Währung als aktives Instrument ihrer Wirtschaftspolitik einsetzen.