Wer kennt es nicht, das schöne Gefühl des Verliebtseins: Man schwebt im siebten Himmel, hat Flugzeuge im Bauch, man ist euphorisch, süchtig und teilweise blind vor Liebe. All dies sind tolle Erlebnisse im Privatleben – allerdings recht gefährlich, wenn man sich an der Börse in seine eigenen Aktien verliebt.
Die ersten Anzeichen von Verliebtheit bei Börsianern zeigen sich, wenn die Aktienkurse steigen: Mehrmals täglich ergötzt man sich an den steigenden Kursen in seinem Online-Depot und in der Kaffeepause wird den Kollegen bereits vom eigenen tollen Gespür für die richtigen Aktien erzählt. Aber wehe, die Kurse gehen in die entgegengesetzte Richtung: Über Wochen wird die eigene Depotseite nicht mehr geöffnet, man will eigentlich nichts mehr von Aktien hören, sehen oder lesen – steigende Verluste werden mit zunehmender Ignoranz bestraft. Dieses Verhalten dürfte wohl vielen Anlegern bekannt vorkommen und ist eigentlich relativ normal. Gefährlich wird es erst, wenn man geradezu in seine eigenen Aktien vernarrt ist. Dann werden sachliche Argumente ausgeblendet, neue Informationen ignoriert und fallende Kurse stets zum Nachkauf genutzt – auch wenn sich die Zukunftsaussichten für das Unternehmen bereits derart eingetrübt haben, dass die Höchststände aus der Vergangenheit heute utopisch wirken. Biochemisch lässt sich dies mit einem Absinken des Serotoninspiegels erklären, was unter anderem dazu führt, dass Hirnareale, welche normalerweise für Zurückhaltung, Angst und Problemlösungen zuständig sind, beinahe komplett inaktiv sind. Daher gilt für Anleger – sich besser nicht mehr verlieben und vor allem nicht in seine eigenen Aktien. Bessere Anlageergebnisse sollten sich auf Dauer mit einer nüchternen Distanz zum eigenen Portfolio, einer breiten Diversifikation sowie Zurückhaltung gegenüber Arbeitskollegen und Freunden (dies verhindert Stolz und Scham) erzielen lassen – sowie mittels Schokolade! Diese hilft nämlich, den Serotoninspiegel anzuheben. Denn zum bitteren Schluss gilt sowohl an der Börse wie auch im Privatleben: Scheidungen werden meist teuer bezahlt…