In regelmäßigen Abständen bestimmen Unternehmen der Pharmabranche die Negativschlagzeilen der Tageszeitungen. Die scheinbar willkürliche Preisgestaltung von Unternehmen wie Mylan und Pfizer sind dabei nur zwei Beispiele, welche in vielen Köpfen hängen geblieben sind. Der ehemalige Hedgefonds Spekulant Martin Shkreli erntete 2015 Kritik von allen Seiten für die fast 500 %-ige Preissteigerung der Mylan-EpiPens. Gegen Pfizer wurde auf Grund einer 2.600 %-igen Preiserhöhung für ein Medikament in Großbritannien im vergangenen Jahr eine Rekordstrafe von rund 100 Mio. Euro ausgesprochen. Auch vor offensichtlichen Steuervermeidungspraktiken scheinen große Pharmaunternehmen nicht zurückzuschrecken. Will man achtsam investieren, so könnte man meinen, muss man einen großen Bogen um die Branche machen.
Allerdings gibt es innerhalb der Pharmaindustrie signifikante Unterschiede bei den Unternehmen in Bezug auf das Abschneiden in den drei Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) und folglich dem Umgang mit heiklen Themen wie Preisgestaltung, Steuern und Vergütungspolitik. Während es einige schwarze Schafe in der Branche gibt, erzielen manche Pharmaunternehmen Bestnoten in allen ESG-Bereichen. Dass eine ESG-Analyse von Unternehmen aus der Pharmabranche im Rahmen einer achtsamen Veranlagung Performancevorteile bringen kann, erhöht zusätzlich die Attraktivität der Top-Performer.
Kontroversen in der Preispolitik
Preisbezogene Kontroversen durch starke Anstiege von Medikamentenpreisen oder scheinbar willkürliche Preissetzung betreffen einen großen Teil der Pharmaunternehmen. Jedoch ist die Thematik nicht für jedes Unternehmen im selben Ausmaß relevant. Unternehmen, welche eine aggressive Preispolitik führen sind anfälliger für etwaige rechtliche Schritte durch die US-Regierung rund um den neuen Präsidenten Donald Trump, welcher der Preispolitik von Pharmaunternehmen im Präsidentschaftswahlkampf den Kampf angesagt hat.
Durch eine Selektion von Titeln, welche Kontroversen beim Thema Preispolitik vermeiden, kann das Risiko einer negativen Nachrichtenlage reduziert werden. Beispielsweise werden dadurch Unternehmen wie Mylan oder Valeant vermieden. Auch Novartis musste jüngst in unserer Aktienstrategie Platz für Roche schaffen, welche in diesem Bereich deutlich besser abschneidet.
Produktqualität und Produktsicherheit
Dass Veranlagung unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien durchaus Performancevorteile bringen kann, zeigt beispielsweise der Bereich der Produktsicherheit. Mit dem Anstieg der hochspezialisierten Medizin, beispielsweise in der Onkologie, wird eine Überwachung und Kontrolle der Qualitätssicherung von Pharmaunternehmen immer wichtiger. Unternehmen, welche in Bezug auf die Qualitätsüberwachung und -management überdurchschnittlich gut abschneiden, konnten in der Vergangenheit höhere Durchschnittsgewinne (gemessen am Total Shareholder Return – TSR) bei Betrachtung eines 1-, 3- und 5-Jahreshorizont erzielen. Dabei zählt die Anzahl der Produktrückrufe oder regulatorischen Warnungen aufgrund von Vergehen bei der Herstellung oder Bewerbung von Produkten als wichtige Indikatoren.
Quelle: MSCI ESG Research
Steuervermeidung von Pharmaunternehmen
Durch Übernahmen in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen wird versucht, die Steuerlast zu minimieren. Dabei scheint oft nicht der wirtschaftliche Nutzen einer Übernahme im Vordergrund zu stehen. Vor allem Unternehmen aus den USA sehen einen signifikanten Vorteil durch die verhältnismäßig hohe Besteuerung von 32,8 %, was dem zweithöchsten OECD-Wert nach Frankreich entspricht. Dabei sind die bevorzugten Übernahmeziele Unternehmen aus Irland und Großbritannien. Allerdings hat jüngst auch Donald Trump diesen „Reverse Mergers“ den Kampf angesagt und will diese Steuerschlupflöcher stopfen. Folglich stehen solche Geschäftsmodelle von Pharmaunternehmen auf wackligen Beinen.
Zusammenfassende Beurteilung
Ziel ist es nun, die wirtschaftlich besten Unternehmen zu finden, welche auch aus ESG-Sicht zu den Top-Performern zählen. Die Analyse zeigt, dass Anleger selbst in einer so sensiblen Branche wie der Pharmazie durchaus in der Lage sind, verantwortungsvolle und achtsame Unternehmen zu finden. Dadurch versprechen wir uns nicht nur ein gutes Gewissen, sondern auch einen langfristig positiven Performancebeitrag.
Quelle: MSCI ESG Research
Quellen: MSCI ESG Research, Süddeutsche Zeitung