Vor einem Jahr hat die EU-Kommission eine Befragung zu ESG-Ratings gestartet, an der sich Marktteilnehmer:innen und die Zivilgesellschaft beteiligen konnten. Damit erhoffte sich die EU-Kommission eine Entscheidungshilfe bei der Frage nach einer Regulierung von ESG-Ratings. Gemäß jüngsten Aussagen der EU-Kommission führte nun die Auswertung der Konsultation zu dem Entschluss, dass es schon bald zu entsprechenden EU-Vorschriften kommen soll.
Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit in der Geldanlage gibt es einen zentralen Begriff, den interessierte Anleger:innen kennen sollten: ESG. Dabei steht das E für Environment (Umwelt), das S für Social (Soziales) und das G für Governance (Unternehmensführung). Gemeinsam dienen diese Kriterien der Analyse von Unternehmen bezüglich ihrer Nachhaltigkeit.
ESG-Ratingagenturen führen genau solche Analysen durch und geben die daraus gewonnenen Daten, meist kostenpflichtig, an Investor:innen weiter. Aktuell sind 59 ESG-Ratinganbieter in der EU aktiv, davon 14 große und mittelgroße Häuser, aber einheitliche Standards fehlen. Jeder der Anbieter verfolgt eine eigene Strategie, die auf unterschiedlichen Datenerhebungsverfahren und Berechnungsmethoden basiert. Auch Datenlücken versuchen die Agenturen mit verschiedenen Herangehensweisen zu beseitigen. Diese Vielfalt an Perspektiven führt unausweichlich zu unterschiedlichen Einschätzungen und widersprüchlichen Bewertungen der Unternehmen, was einen Vergleich unterschiedlicher ESG-Ratings unmöglich macht.
Zudem beklagen sich viele Kund:innen der ESG-Ratingagenturen über eine mangelnde Transparenz der verwendeten Methoden. Die ESG-Ratings sind für die Nutzer:innen nicht nachvollziehbar und den Datenanbietern muss quasi blind vertraut werden. Um diesbezüglich mehr Einsicht zu schaffen, möchte die EU-Kommission neue Regeln für ESG-Ratingagenturen einführen. Investor:innen soll es dadurch leichter fallen, die Qualität der zur Verfügung gestellten ESG-Ratings einschätzen zu können.
Die bevorstehende Regulierung stößt in der Ratingbranche jedoch auf die Sorge, dass die EU-Kommission eine Vereinheitlichung der Bewertungen anstreben könnte. Ein Eingreifen in die Methodiken zur Datenauswertung würde unterschiedliche Perspektiven und das Eingehen auf verschiedene Kundenwünsche oder Werthaltungen erschweren.
Was genau die EU-Kommission plant und wie weit sie in die Methodiken der ESG-Ratingagenturen eingreifen wird ist bisher noch unklar. Ein Vorschlag der neuen Regulierung sei jedoch noch im ersten Halbjahr 2023 zu erwarten.
Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments, Bergius Susanne (2023): Regulierung von ESG-Ratings im Anmarsch https://www.handelsblatt.com/specials/sustainable-finance-start/business-briefing-nachhaltige-investments-vom-maerz-2023-bbni_03_2023/29022136.html
Europäische Kommission (2022): Targeted consultation on the functioning of the ESG ratings market in the European Union and on the consideration of ESG factors in credit ratings
https://finance.ec.europa.eu/regulation-and-supervision/consultations/finance-2022-esg-ratings_enEuropean Securities and Markets Authority, ESMA (2022): ESMA publishes results of its Call for Evidence on ESG ratings
https://www.esma.europa.eu/press-news/esma-news/esma-publishes-results-its-call-evidence-esg-ratingsTagesspiegel Background (2023): EU-Vorschlag zu ESG-Ratings im Juni
https://background.tagesspiegel.de/sustainable-finance/eu-vorschlag-zu-esg-ratings-im-juniBildquelle: https://stock.adobe.com