Die Börsenrally seit Ende 2022 trägt de facto einen Namen: Künstliche Intelligenz (KI). Und zum Gesicht der Rally wurde Nvidia. Jene Company, die mit ihren Künstliche Intelligenz-Chips (besser gesagt Chip-Ideen – Nvidia produziert wie Apple nämlich de facto nichts selbst) auf dem Weg ist, die Welt zu erobern. Seit diesem Montag stellt sich die Börse aber die Frage, ob aus dem „ist“ ein „war“ wurde: Das chinesische AI-Start-up „DeepSeek“ hat nämlich ein KI-Modell vorgestellt, welches um ein Vielfaches billiger ist und weniger Nvidia-Chips benötigt als der Marktführer „ChatGPT“ – und gleichzeitig sogar noch leicht bessere Ergebnisse liefert. Obwohl es ein paar Fragezeichen hinsichtlich der Seriosität der Kostenangaben von Seiten der Chinesen gibt, sind die Börsen seither in heller Aufregung: Braucht man in Zukunft deutlich weniger Nvidia-Chips als gedacht? Werden doch nicht so viele Datencenter in den USA gebaut und steigt damit die Stromnachfrage nicht so stark wie erwartet? Sind Softwareunternehmen plötzlich die großen Profiteure, weil KI-Anwendungen viel günstiger werden?
All diese offenen Punkte führten dazu, dass alle Unternehmen, die in der KI-Wertschöpfungskette hängen, am Montag ordentlich abgestraft wurden. Wenn KI der „Anführer“ des Börsenhypes seit Ende 2022 war, muss man sich natürlich die Frage stellen, wie es nun weiter geht an den globalen Aktienmärkten. Während hinsichtlich KI noch viele Fragen offen sind, dürfte das Umfeld vermutlich einer lange vernachlässigten Anlageregion in die Karten spielen: nämlich Europa. Wirtschaftlich nahe dem Boden, mit bald neuer politischer Führung in Deutschland und ohne Performance-Rückenwind durch KI in den letzten Jahren, könnten europäische Aktien im Jahr 2025 ein Zufluchtsort vieler Gelder sein, welche aus Enttäuschung über das Ende des KI-Hypes ihren Weg über den großen Teich wieder zurückfinden.
Patrick Schuchter, Patrick.Schuchter@union-investment.at, Gastkommentar für die VOLKSBANK VORARLBERG e. Gen.