Fusionen und Übernahmen sind nichts Neues in der Öl- und Gasindustrie. Doch seit einigen Jahren werden Verkäufe von Vermögenswerten in dieser Branche vermehrt zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks getätigt. Schmutzige Sparten werden einfach abgestoßen und das Image des Unternehmens aufpoliert. Laut einer neuen Studie des Environmental Defense Fund entkommen die verkauften Geschäftsbereiche dadurch allerdings der Reportingpflicht von börsengelisteten Unternehmen und rücken in den unkontrollierten Schatten, mit verheerenden Folgen für unsere Umwelt.
Die Uhr tickt, wenn es um Klimaschutzmaßnahmen in der Öl- und Gasindustrie geht. Gemäß dem Weltklimarat ist eine rasche Abkehr von fossilen Brennstoffen von entscheidender Bedeutung, um die globale Erwärmung auf 1,5° C zu begrenzen. Auch Aktionärinnen und Aktionäre drängen große Ölfirmen dazu, ihre Ausgaben an den Pariser Klimazielen auszurichten. Dies stellt die Unternehmen vor eine Herausforderung. Neben dem Senken von Emissionen sollen sie auch zukünftig die wachsende Wirtschaft mit Energie versorgen und weiterhin zu den größten Dividendenzahlern gehören.
Die leichteste Strategie, um all diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist der Verkauf von kosten- und kohlenstoffintensiven Projekten. Bisher wurde das wahre Ausmaß dieser Verkäufe nicht durchleuchtet, da es nur wenige Informationen darüber gibt, wohin die Vermögenswerte verlagert werden und wie sich eine solche Übertragung auf das Klima auswirken kann.
In der neuen Studie des Environmental Defense Fund wurden nun jedoch Fusionen und Übernahmen in der Öl- und Gasindustrie zwischen 2017 und 2021 analysiert. Die Auswertungen zeigen, dass Fusionen und Übernahmen den Energieriesen zwar bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitspläne helfen, aber nicht zur Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen beitragen. Die Transaktionen erwecken den Anschein, als hätten die Verkäufer die Emissionen gesenkt, während die Verschmutzung in Wirklichkeit einfach zu Unternehmen mit niedrigeren Standards verlagert wird. Wenn die Anlagen also von verantwortungsvollen zu unverantwortlichen Betreibern fließen, kann der Verkauf kohlenstoffintensiver Anlagen sogar zu einem Anstieg der Emissionen führen.
Zudem fließen Vermögenswerte in erheblichem Umfang von öffentlichen in private Märkte. Öffentliche Unternehmen unterliegen jedoch deutlich strengeren Offenlegungsvorschriften als private Unternehmen, welche sich somit leichter der Kontrolle durch Investoren, Regulierungsbehörden und der Öffentlichkeit entziehen können. Dies führt dazu, dass Millionen Tonnen an Emissionen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden. Obwohl eine Reihe von Privatunternehmen erste Schritte in Richtung Emissionsberichterstattung tätigen, dürfte die Übertragung von Vermögenswerten von öffentlichen auf private Märkte die Klimaauswirkungen der Öl- und Gasindustrie insgesamt noch undurchsichtiger machen.
Anlegerinnen und Anleger könnten Öl- und Gasunternehmen auffordern, ihre jährliche Emissionsreduzierung durch die Übertragung von Vermögenswerten offenzulegen. Unternehmen, die CO2-intensive Anlagen verkaufen, könnten von potenziellen Käufern die Einhaltung bestimmter nachhaltiger Praktiken verlangen und Banken könnten sicherstellen, dass nachhaltige Anforderungen in reale Transaktionen integriert werden. Gegen dieses Problem vorzugehen ist allerdings schwierig, da alle Beteiligten ihre eigenen Interessen verfolgen.
Environmental Defense Fund, Malek Gabriel et. al. (2022): Transferred Emissions: How Risks in Oil and Gas M&A Could Hamper the Energy Transition
https://business.edf.org/insights/transferred-emissions-risks-in-oil-gas-ma-could-hamper-the-energy-transition/ [Letzter Zugriff: 23.08.2022]CNBC, Meredith Sam (2022): An energy transition loophole is allowing Big Oil to offload high-polluting assets to private buyers
https://www.cnbc.com/2022/05/19/climate-how-big-oil-sells-off-polluting-assets-in-a-bid-to-look-green.html [Letzter Zugriff: 23.08.2022]The New York Times, Tabuchi Hiroko (2022): Oil Giants Sell Dirty Wells to Buyers With Looser Climate Goals, Study Finds
https://www.nytimes.com/2022/05/10/climate/oilfield-sales-pollution.html [Letzter Zugriff: 23.08.2022]Financial Advisor, Gilblom Kelly (2019): Big Oil is Selling Dirty Assets, But They Aren’t Going Away
https://www.fa-mag.com/news/big-oil-is-selling-dirty-assets–but-they-aren-t-going-away-52029.html?section=3 [Letzter Zugriff: 23.08.2022]Bildnachweis: https://stock.adobe.com