Die Natur eröffnet mit ihrer beeindruckenden Vielfalt zahlreiche Möglichkeiten für Forschung und Innovation. Ihre raffinierten und jahrhundertelang perfektionierten Schöpfungen inspirieren zum Imitieren und Nachahmen – und helfen dabei, nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln.
Im Fachbereich Bionik, dessen Name sich aus Biologie und Technik zusammensetzt, wird die Natur zum Vorbild. Seit Milliarden von Jahren optimiert die Evolution Strukturen, Materialien und Prozesse. Genau diese cleveren Prinzipien möchte sich die Bionik zunutze machen, um Lösungen für technische Herausforderungen zu kreieren. Viele dieser Erfindungen sind bereits aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – zum Beispiel der Klettverschluss, der die Klette mit ihren kleinen Widerhaken als natürliches Vorbild hat.
Ein interessantes Forschungsobjekt der Bionik sind die Seidenfäden von Spinnen. Während Spinnen ihre Fäden zum Beutefang in Form von gewebten Netzen, zum Einwickeln ihrer Eier in Kokons oder zum Abseilen verwenden, bietet die Spinnenseide zahlreiche Möglichkeiten für Industrie und Medizin. Denn die Fäden sind 20-mal dünner als menschliches Haar, fünfmal stärker als Stahl gleicher Dichte und können auf das dreifache ihrer Länge gedehnt werden, ohne zu reißen. Damit sind sie dehnbarer als Nylon und zäher als Kevlar, das zum Beispiel in kugelsicheren Westen eingesetzt wird. Hinzu kommt, dass Spinnenseide sowohl biologisch abbaubar als auch biokompatibel ist, was bedeutet, dass der menschliche Körper sie gut verträgt. Die Anwendungsmöglichkeiten der Seidenfäden reichen daher von der Nutzung als Textilfasern über den Einsatz in Kosmetika bis hin zur verbesserten Wundheilung und der Regenerierung von Nerven.
Auch die Hautstruktur von Haien bietet Inspiration für wertvolle Verbesserungen in der Medizin. Haifischhaut besteht aus sogenannten Placoidschuppen, die sich wie Dachziegel überlappen. Durch ihre gebogene Struktur entstehen Hohlräume, in denen das Wasser ganz nah am Körper zirkulieren kann. Das verringert den Widerstand und lässt den Hai besonders schnell schwimmen. Die Placoidschuppen haben aber auch mikroskopisch kleine Rillen, die es Bakterien und anderen Lebewesen unmöglich machen, dort anzuhaften. Was dem Hai einen Überlebensvorteil beschert, könnte in Gesundheitseinrichtungen dabei helfen die Infektionsgefahr zu senken, indem zum Beispiel an Türklinken, Tastaturen oder Toiletten Folien mit einer Oberflächenstruktur ähnlich der Haifischhaut angebracht werden. So eine Folie könnte besser wirken als chemische Desinfektion, da viele Bakterien dagegen bereits resistent sind. Auch mit der Folie überzogene medizinische Utensilien, wie Verbände oder Katheter, könnten Infektionsrisiken senken.
Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos und die meisten Geniestreiche der Natur sind noch lange nicht erforscht. Ein Grund mehr, die biologische Vielfalt auf unserem Planeten zu erhalten. Denn mit jedem verlorenen Lebewesen verlieren wir nicht nur ein Stück Natur, sondern auch potenzielle Inspirationsquellen für die Herausforderungen von morgen.
VDI Verein Deutscher Ingenieure (2024): Bionik – Die Natur als Vorbild technischer Erfindungen
https://www.vdi.de/news/detail/bionik-die-natur-als-vorbild-technischer-erfindungenGood Impact, Bianca Kriel (2024): Zukunft spinnen
https://goodimpact.eu/gute-ideen/naturtalent/zukunft-spinnenGood Impact, Bianca Kriel (2024): Haihaut gegen Superkeime
https://goodimpact.eu/gute-ideen/naturtalent/haihaut-gegen-superkeimeBayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Bionik – Was ist das?
https://www.stmuv.bayern.de/themen/biotechnologie/bionik/index.htmBildnachweis: https://stock.adobe.com

